Flamingo-Flaute und kolumbianische Bürokratie
09.01.2020
In der Gegend rund um Riohacha gibt es einen großen See, in dem es ganz viele Flamingos geben soll. Dazu werden in der Stadt viele verschiedene Touren angeboten, die aber alle erst um 9 Uhr starten. Da wir direkt nach unserer 3-tägigen Tour in La Guajira (nördlichster Punkt Südamerikas) weiterfahren wollten, wäre eine Flamingo-Tour um 9 Uhr zu spät. Bisher hatte ich noch nie Flamingos gesehen und wollte mir diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Während unserer Wüstentour hatte ich mit unserem Führer Way darüber gesprochen und hoffte, dass er eine Idee hatte, wie ich doch noch die Flamingos zu Gesicht bekommen könnte. Natürlich enttäuschte er mich nicht. Way empfahl mir den Vater eines Freundes als Taxifahrer, der mit mir quasi eine „Privattour“ zum See unternehmen könnte. Das wäre zum einen günstiger als mit einer regulären Tour und zum anderen viel ungestörter, da die Gruppen noch nicht da wären.
Ich willigte ein und Way verabredete die Abholung für 6 Uhr. Zu dieser Uhrzeit sind die geführten Gruppen noch nicht dort, aber trotzdem genug Leute, die auch mit dem Boot fahren würden, damit man sich die Kosten für das Boot teilen könnte.
Deutscher Pünktlichkeit zum Dank war ich also um 5:45 Uhr bereit um abgeholt zu werden. Ich war nervös, ob der Taxifahrer wirklich auftauchen würde. Ich hatte keine Telefonnummer und keinen Namen. Aber tatsächlich… und zwar pünktlicher als ich es von anderen Kolumbianern gewöhnt war, kam mein Fahrer um kurz vor 6 Uhr. Das Auto war zwar alt, aber gepflegt und nach einer herzlichen Begrüßung fuhren Francisco und ich los. Einige Minuten später hielten wir jedoch wieder an, da er noch tanken musste, aber dann ging es wirklich los zum „Santuario de Fauna y Flora Los Flamencos“. Als wir ankamen, standen die Bootsführer in einer Gruppe zusammen, unterhielten sich und lachten gemeinsam. Francisco ging zu ihnen und versuchte, eine Bootsfahrt für mich zu organisieren. Da bisher niemand anderes da war, sollte ich plötzlich statt den genannten 20.000 Pesos 40.000 Pesos bezahlen. Für die erste Fahrt war ich anscheinend zu spät – die ging immer schon um 5 Uhr morgens los – und für die zweite Fahrt war ich zu früh – die ging immer um 9 Uhr los. Na toll. Also mal wieder alles anders als erzählt bekommen. Die Bootsleute waren positiv gestimmt, dass bis 8 Uhr bestimmt die ein oder andere Person noch kommen würde, um sich ein Boot zu teilen. Also wartete ich.
Francisco besorgte mir ein Fernglas und ich beobachtete die Umgebung. Die Sonne war noch nicht ganz über den Horizont gekrochen und malte bunte Farben in das bereits emsige Treiben am See. Im flachen Wasser standen einige Fischer mit ihren Fischernetzen. Immer in Dreier- oder Vierergrüppchen versuchten sie so viele Fische wie möglich mit einem Netzwurf zu fangen. Auch einige Kinder waren mit dabei und demonstrieren ihr Geschick. Doch immer wieder gab der ein oder andere den Bootsleuten einen Grund ihn auszulachen. Dann wurden lautstark „lustige“ Sprüche über den See hin und her gebrüllt.
Hoch oben in den Lüften schweben elegante schwarz-weiße Vögel. Ich kenne ihren korrekten Namen nicht, doch von den Einheimischen werden sie „Piratas“ genannt, denn sie lauern immer dort, wo Fischer sind und wenn sich eine Gelegenheit ergibt, dann stürzen sich die Vögel auf die Beute und klauen die Fische.
Auch wenn es ziemlich interessant war, die Natur durch das Fernglas zu betrachten, wurde mir mit jeder verstrichenen Minute klarer, dass niemand mehr kommen würde. Ich musste ja auch bedenken, dass wir heute noch weiterfahren würden und ich daher nicht ewig warten konnte.
Um 8:15 Uhr einigte ich mich also mit einem Bootsfahrer auf 40.000 Pesos und los ging es. Das Boot war gerade mal so groß wie eine Nussschale und hatte einen Mast mit einem Segel, welches schon ein paar Mal geflickt wurde. Die erste Strecke legte mein Bootsführer mit einem Stab zurück, dann wurde das Segel ausgeklappt und mit deutlich mehr Schnelligkeit ging es über den Teil des Sees, in dem die Fischer ihr Werk taten.
Wir befanden uns nun im Mangroven-Teil des Sees, wo es angeblich schon einige Flamingos zu sehen gäbe. Sowohl der Bootsführer als auch ich hielten Ausschau, doch bis auf ein paar weiße Vögel, die man hier überall beobachten konnte, sahen wir nichts.
„Ich glaube nicht, dass wir Flamingos sehen werden“, teilte mir der „Kapitän“ unvermittelt mit, „die sind normalerweise in der anderen Lagune um die Uhrzeit. Die ist aber zu weit weg. Da können wir nicht mit dem Boot hin.“
Ich bin geschockt. Das kann ja wohl nicht wahr sein!
„Warum haben Sie mir das nicht vorher schon gesagt?“ fragte ich und hätte ihn am liebsten aus dem Boot geschmissen, als ich nur ein Schulterzucken als Antwort bekam.
Er holte das Segel ein und fuhr mit dem Stab weiter. Leider war es auch nicht so, dass die Landschaft total überzeugen würde. Ein paar Mangroven stehen mitten im Wasser und ab und zu sah man einen Weißen Reiher oder einen anderen Wasservogel, aber nicht in große Anzahl. Und Flamingos waren weit und breit nicht zu sehen.
„Möchtest du keine Fotos machen?“ wurde ich gefragt und ich musste an mich halten.
„Von was soll ich denn bitte Fotos machen?“ fragte ich zurück und holte mit dem Arm aus, „Hier gibt es nichts, was ein Foto rechtfertigen würde. Es gibt hier keine Flamingos und Bilder von Mangroven habe ich bessere von anderen Orten.“
Daraufhin fuhren wir schweigend weiter, was mir auch lieber war. Der ganze Ausflug war wirklich teuer und dann so eine Schlappe zu erleben war um diese Uhrzeit und ohne Kaffee etwas zu viel für mich.
Nach ungefähr einer halben Stunde drehten wir um und nahmen den gleichen Weg wieder zurück. Als wir zu dem Teil zurückkamen, in dem die Fischer ihre Netze auswerfen, trafen wir die anderen Boote, die mit den geführten Gruppen unterwegs waren. Die Bootsfahrer informierten sich bei meinem, ob wir Flamingos gesehen hätten und er schüttelte den Kopf. Achselzuckend fuhren die Boote den Weg weiter und gehen genau dahin, wo auch wir waren. Auch die werden wahrscheinlich kein Glück haben.
Zurück am Ufer gab ich dem „Gurken-Kapitän“ das Geld und fuhr mit Francisco wieder zurück in die Stadt.
A la fucking orden – Von Riohacha zum Tayrona Nationalpark
Als ich im Hostel ankam, blieb mir gerade noch Zeit meinen Backpack zu packen und schon ging es los zum Bahnhof. Er ist nicht weit weg von unserem Hostel Bona Vida La Tercera und so entschieden wir uns, die 15 Minuten hinzulaufen. In dem Moment, in dem wir am Bahnhof in Riohacha ankamen, stürmten ungefähr 20 Ticketverkäufer auf uns zu und brüllten lautstark „A la orden!“ Jeder wollte uns seinen Anbieter verkaufen. Denn in Kolumbien gibt es auch für eine Route verschiedene Busgesellschaften. Die Preise variieren etwas, aber nicht so stark. Und bei dem billigsten Anbieter ist meist irgendetwas faul: eine kaputte Klimaanlage, andere Gebrechen oder einfach ein Chickenbus (diese Busse werden von Reisenden so genannt, weil hier meist Einheimische mit ihren Tieren wie Hühnern einsteigen).
Wenn man also einen Bahnhof in Kolumbien betritt, fühlt man sich meist wie eine Glühlampe in der Nacht, die ganz viele Motten anzieht. Wir versuchten unsere A-La-Orden-Motten abzuschütteln und gingen weiter zu den Verkaufsfenstern, denn letztendlich bekommt man hier den richtigen und günstigsten Preis. Nirgendwo sonst waren diese Ticketverkäufer aufdringlicher. Die ganze Zeit blieben sie „A la orden“-schreiend an unserer Seite. Irgendwann kapierten sie jedoch, dass wir die Tickets bei ihnen nicht kaufen würden und wir konnten in Ruhe den richtigen Schalter suchen und uns unsere Fahrt nach Zainos buchen.
Von Riohacha nach Zainos ist es nicht weit, weshalb dorthin nur ein normaler Stadtbus fuhr. Wir hatten wieder Glück und der Bus fuhr nur einige Minuten später, was aber für uns bedeutete, dass der Bus voll war. Wir verstauten die Backpacks im Kofferraum und quetschen uns in den Bus, wo wir nur noch einen Stehplatz bekamen.
Ich „ergatterte“ den letzten Platz, stand also direkt vor der Eingangstür, die aufgrund der Hitze offen blieb. Mit meinem mittelschweren Daypack und einer großen Tüte in der Hand, konnte ich mich jedoch nicht richtig festhalten. So kam ich immer wieder ins Straucheln während der Fahrt und wäre einmal fast aus der Tür gefallen. Mein Straucheln fiel einigen Männern auf, die daraufhin mit mir den Platz tauschten. In der Hinsicht sind die Kolumbianer sehr charmant.
Schlange stehen zum Schlange stehen – Kolumbianische Bürokratie im Tayrona Nationalpark
Als der Bus direkt am Eingang des Tayrona Nationalparks vorbeifuhren, signalisierten wir dem Busfahrer anzuhalten. Am nächsten Tag wollten wir in den Tayrona Nationalpark und da wir uns immer noch in der Ferienzeit befanden, war es besser, die Tickets einen Tag vorher zu besorgen. Auch wenn es bereits Nachmittag war, standen immer noch einige Besucher an, um für die kommenden Tage Tickets zu besorgen.
Als wir an der Reihe waren, bekamen wir deine besondere Spezies der Ticketverkäufer-Art zugeteilt. Mit seiner langsamen Art zu sprechen und Dinge in den Computer zu tippen (1-Finger-Such-Methode), dachte ich unweigerlich an das Faultier bei Zoomania. Immer wieder musste er bei seinen Kolleginnen nachfragen oder verließ einfach seinen Arbeitsplatz.
Die Preise variieren je nach Saison und zudem wird zwischen Ausländern und Einheimischen unterschieden. Wir bezahlten 63.500 Pesos pro Person, doch wer aktuelle Preise wissen möchte, sollte sich unbedingt auf der Website informieren.
Nach einer halben Ewigkeit hielten wir endlich die Tickets in den Händen – dachten wir jedenfalls.
„Das sind Reservierungen. Morgen könnt ihr euch dann in die Schlange für die richtigen Tickets anstellen. Das ist eine Extra-Schlange.“
Wir schauen ihn ungläubig an. „Aber haben wir die Tickets nicht gerade gekauft?“
„Nein, nein. Das ist nur die Reservierung. Da rechts ist dann die Kasse, um die Reservierung gegen die richtigen Tickets einzutauschen. Vergesst aber euren Pass nicht. Der wird nochmal kontrolliert.“
So haben wir uns also angestellt, um eine Reservierung zu kaufen, für die wir uns am nächsten Tag nochmal in eine Schlange stellen mussten, um die richtigen Tickets zu bekommen. So richtig Sinn machte das für uns nicht, aber so ist das nun mal – Bürokratie gibt es in jedem Land! Und irgendwie müssen sich die Leute da wohl beschäftigen.
Kurz bevor wir den Verkaufsbereich verließen, wurden wir von einem Mitarbeiter angehalten: „Vergesst nicht euer Versicherungsbändchen zu kaufen.“
„Versicherungsbändchen? Wir haben beide eine Auslandskrankenversicherung. Wir brauchen keine Versicherung.“
Der Mitarbeiter zuckte nur mit den Schultern: „Wenn ihr dieses Bändchen nicht habt, dann werdet ihr nicht eingelassen. Es ist Pflicht.“
Da wir mittlerweile gelernt haben, dass Kontrolle besser ist als irgendwelchen fremden Verkäufern zu glauben, schauten wir die Sache schnell im Internet auf der offiziellen Website des Tayrona Nationalparks nach – doch diesmal stimmte es. Die Versicherungsbändchen waren Pflicht. Also kauften wir an dem kleinen Stand für 2.000 Pesos noch ein Bändchen.
Mit unserer Reservierung und den Versicherungsbändchen im Gepäck machten wir uns auf zu unserem Hostel „Eco Hostal Brisas del Rio Tayrona“ und verbrachten den restlichen Nachmittag in der Hängematte auf der Terrasse.
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Carina
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