Ometepe

15.03.2020 // Ometepe, die Insel auf der ich mich aufhielt, befindet sich im See „Lago Cociboica“ (Nicaraguasee) im Südwesten Nicaraguas. Zwei Vulkane schufen die etwa 270 km² große Insel, die damit zu den größten vulkanischen Inseln in einem Süßwassersee auf der Welt gehört. Ihre Form erinnert an das Unendlichkeitszeichen oder eine umgedrehte Acht.
Wegen diesen Vulkanen war ich nach Ometepe gekommen – um mich einer neuen Herausforderung zu stellen und den Himmel zu erklimmen. Welchen der beiden Vulkane ich bezwingen wollte, war mir noch nicht ganz klar. Das wollte ich mir frei lassen, je nachdem welche Tour angeboten wurde.

Der Vulkan Concepción ist der zweihöchste Vulkan Nicaraguas und immer noch aktiv – der letzte Ausbruch war 2010. Die 1 610 Meter sind in einer 10-stündigen Wanderung, die noch vor Morgengrauen beginnt, zu bewältigen. Der seit Jahrtausenden inaktive Vulkan Maderas ist 1 394 Meter hoch. Für die Wanderung werden ungefähr acht Stunden veranschlagt.

Das Beste an meinem Hostel war der Innenhof, der voll bepflanzt war und in dem immer irgendwelche Vögel sangen. Nach dem Frühstück im Freien begab ich mich ins Zentrum von Moyogalpa um eine Vulkan-Tour zu buchen. Dabei muss gesagt werden, dass das „Zentrum“ aus einer Hauptstraße mit einigen wenigen Nebenstraßen besteht. Auf dem Weg vom Hostel ins Zentrum viel mir bereits auf, dass sehr wenige Menschen unterwegs waren. Als ich in die Hauptstraße abbog, hatte ich plötzlich ein ungutes Gefühl. Die meisten Läden waren geschlossen! Wie in Puerto Jiménez waren auch hier die Geschäfte am Sonntag nicht offen (Jetzt mein Dschungel-Abenteuer in Puerto Jiménez nachlesen). Nachdem ich alle Touranbieter, die in meinem Reiseführer empfohlen waren abgeklappert hatte , musste ich bis zum nächsten Tag warten um eine Tour buchen zu können.

Während meinen Überlegungen, was ich mit dem restlichen Tag noch machen könnte, sah ich einen offenen Roller-Verleih. Bereits als ich in die Nähe der Roller kam, sprach mich der Verkäufer an. Wir verhandelten über die verschiedenen Roller, doch mir waren alle viel zu groß. Noch nie in meinem Leben war ich selber Roller gefahren – immer nur hinten mitgefahren. Da wollte ich nicht mit einem wuchtigen Ding anfangen, mit dem man hier seine zehnköpfige Familie inklusive Haushundes und drei Hühnern transportieren würde. Nachdem ich ihm meine Bedenken äußerte (ohne den Hund und die Hühner zu erwähnen), brachte er mich zu einem Rollerverleih, der kleinere Scooter anbot. Mit der Frau wurde ich schnell einig und nach einer Probefahrt setzte ich den einzigen Helm auf der passte und fuhr los.

Die Frau vom Rollerverleih riet mir, nur auf der linken Ometepe-Hälfte zu fahren, da es dort richtige Straßen gäbe. Auf der rechten Ometepe-Insel gäbe es nur noch Schotterpisten. Da ich keine Rollererfahrung hatte, nahm ich ihren Ratschlag dankend an. Bei der Umfahrung des Vulkans Concepción hatte ich noch drei Zwischenstopps eingeplant – einen Naturpool namens „Ojo de Aqua“, eine Wanderung um einen See und einen Strandabschnitt.

Rollerfahrt in Ometepe

Ich begann meine Fahrt Richtung Norden. Nach anfänglichen Bedenken wegen meiner nichtvorhandenen Scooter-Fahrkünste, empfand ich immer mehr Freude am Rollerfahren. Die Bremsschwellen, die in regelmäßigen Abständen kamen, verursachten mir die größten Schwierigkeiten. Die ersten nahm ich viel zu schnell, dotzte dagegen und hüpfte einmal fast von meinem Roller runter, doch dann hatte ich den Dreh raus. Der Wind peitschte mir um die Nase (den Helm konnte man nicht schließen) und niemand war auf der zweispurigen Straße unterwegs. Die Umgebung war heiß und trocken, es gab kaum Vegetation, hauptsächlich struppige Bäume die wenig Wasser benötigten. Immer wieder sah ich Kuhherden die neben der Straße entlangliefen. Manchmal wurden sie von ebenfalls ausgehungerten Pferden begleitet. Ab und an begegneten mir Menschen, die mich freundlich grüßten.

Leider hatte ich keinen GPS-Empfang, weshalb ich nicht genau wusste wo ich mich befand. Der Wind war immer noch stark, doch ich fuhr weiter. Teilweise musste ich mich voll gegen den Wind lehnen. Bei dem nächsten Dorf hielt ich an und checkte mein GPS – ich hatte Ojo de Aqua verpasst! Ich drehte um und fuhr zurück. Diesmal erwischte ich die richtige Ausfahrt, parkte meinen Roller, zahlte die 5$ Eintritt und folgte den anderen Menschen hinein.

Ojo de Aqua

Es waren hauptsächlich „Nicas“ (so nennen sich die Nicaraguaner) im Ojo de Aqua. Der Pool war aus Naturstein, kleine Fischen und Kaulquappen schwammen darin herum. Nachdem ich einen Platz für meine Sachen gefunden hatte ging ich ins Wasser – eine herrliche Abkühlung nach der Fahrt in der prallen Sonne. Auf der einen Seite des Pools spielten Kinder, auf der anderen ließen sich die Gäste im Wasser treiben.

Ich setzte mich an den Beckenrand und beobachtete wie kleine Fische anfingen an meinen Füßen zu knappern, als mich eine Nica ansprach. Sie war ungefähr in meinem Alter und wollte gefühlt alles von mir wissen – aber auf eine freundliche und angenehme Weise. Während wir uns in einem Mix aus Spanisch und Englisch unterhielten, kam noch ein weiterer Nica hinzu – ein Guide für Vulkanwanderungen. Er arbeitete auch auf einer der Forschungsstationen und hatte einen deutschen Chef, weshalb er einige deutsche Wörter konnte und sie mir stolz nannte. Es kamen noch ein paar Nica hinzu, beteiligten sich an der Konversation und gingen dann weiter. Die Nicas wollten Fotos von meiner Familie und meinem Zuhause sehen. Sie waren sehr interessiert. Das hatte ich bisher noch nicht erlebt.

Vom Ojo-de-Aqua-Gelände gelangte man durch den hinteren Teil auf einen Wanderweg. Da ich am gestrigen und heutigen Tag noch nicht wirklich viel gelaufen war, ging ich los. Zunächst lief ich an einem leeren Feld mit tollem Blick zum Vulkan Concepción entlang, dessen Spitze komplett in den Wolken verschwunden war. Der Weg mündete in einer Bananenplantage, die endlos schien. Auch die Sonne schien endlos und es wurde mir zu heiß, sodass ich mich dazu entschloss, wieder zurück zum Pool zu laufen und noch ein wenig im Wasser zu faulenzen, bevor es mit dem Roller weiter ging.

Eigentlich war mein Plan, eine Runde um den See „Charco Verde“ zu laufen, doch das nächste Mal als ich auf mein GPS schaute, war ich wieder zu weit gefahren. Es war zudem später als gedacht, sodass ich mir nicht sicher war, ob ich die Wanderung um den See in passender Zeit schaffen würde. Deshalb fuhr ich zum nächsten Punkt meiner Liste: Punta Jesús Maria.

Vor dem Gelände mahnte ein Schild keine Schuss- oder Stichwaffen mitzubringen – immer wieder ein beruhigendes Gefühl. Am Strand standen einige Hütten mit Palmendächern. In den meisten saßen Familien und grillten, hatten Spaß, hörten Musik und genossen sichtlich eine tolle Zeit.
Ich lief an ihnen im schwarzen, feinen Sand vorbei, bis ich an der Spitze der kleinen Landzunge angelangt war. Träge schaukelte ein Fischerbötchen im Wasser, in der Ferne sah ich das Festland. Bis auf das Rauschen der Wellen hörte ich nur noch die Musik von den Hütten. Ich setzte mich in den Sand, ein Gefühl des Friedens und der Ausgeglichenheit breitete sich in meiner Brust aus.

Trotzdem war es irgendwann Zeit weiterzufahren. Kurz vor Moyogalpa überquerte ich eine sehr breite Straße und wurde stutzig. Ich überprüfte wo ich war und wie sich herausstellte, stand ich mitten auf dem Flugfeld von Ometepe! Der kreuzt einfach die normale Straße. Ähnlich wie bei Zugschienen, werden bei Flügen Schranken runtergelassen und der Verkehr musste warten. Die Regierung der Insel hatte sich selbst um den Bau des „Flughafens“ gekümmert, der 2014 für US$17,000,000 gebaut worden war. An zwei Wochentagen gab es jeweils einen Hin- und Rückflug in einem 12-Sitzer.

Zurück im Hostel erfuhr ich von den Besitzern, dass Costa Rica wegen Corona die Grenze zu Nicaragua schließen würde – ab dem nächsten Tag. Zwar hatte ich nicht vor zurück nach Costa Rica zu fahren, doch mir schien, als würde der Corona-Wahnsinn jetzt nach Mittelamerika kommen. Nicht nur Europa war am Durchdrehen, auch Süd- und Mittelamerika wurden wohl von der Pandemie nicht verschont.

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