Von Cabo de Vela nach Punta Gallinas

Unsere Wecker klingeln fast alle gleichzeitig um 5 Uhr. Mein Körper protestiert nach dieser Nacht in der Hängematte und ich denke nur, „Ich bin zu alt für diesen Scheiß“. Obwohl wir noch eine Decke hatten, war es super kalt in der Nacht und zudem unbequem. Mir tat einfach jeder einzelne Knochen im Leib weh, doch Zeit um in Selbstmitleid zu baden hatten wir keine. Da ich zum Frühstück nicht schon wieder Reis mit Bohnen und Eiern essen wollte, bestellte ich mir nur Brötchen mit Marmelade. Natürlich gab es keine Marmelade…aber sie hatten Honig. Einige Zeit später hatte ich dann die verbliebenen zwei Hotdog-Brötchen vom Vortag mit dem Honig vor mir liegen. Mein Magen knurrte und nachdem ich die mickrige Portion gegessen hatte, knurrte er noch mehr. Doch weiteres Brot gab es für mich nicht… Ich besänftige meinen Bauch mit dem Versprechen auf ein größeres Mittagessen und los ging es wieder mit dem Auto in die Wüste. Der Müll begleitet uns den ganzen Weg über. Wie Blüten hängen die Plastiktüten an den Bäumen und Kakteen und schwingen traurig im Wind.

In der Wüste in La Guajira gibt es viel Müll
Müll begleitet uns auf der ganzen Fahrt in La Guajira

Der 1. Stopp heute ist der einzige Windpark Kolumbiens, der seit 24 Jahren in Betrieb ist. Im Moment ist er abgeschaltet, da er modernisiert werden muss und als wir einen genaueren Blick hinwerfen, sehen wir auch warum. Die meisten Führerhäuser waren schwarz außen rum, da dass Öl rauslief. Doch wann genau der Windpark modernisiert wird, wissen sie nicht. Sie hoffen aber bald, denn es ist die einzige Möglichkeit für sie Geld zu verdienen. Mit einer Entsalzungsanlage stellen sie sicher, dass sie in der unwirklichen Gegend Trinkwasser haben. Denn anders geht es auch gar nicht in der trockenen Wüste. Nach der Informationsstunde fahren wir weiter durch die Wüste. Wir sehen eine Zeitlang noch vereinzelt Kakteen oder ganze Kaktuswälder, doch irgendwann gibt es nur noch Plastik zu sehen. Sogar ein Plastikstuhl hat es bis hierher geschafft.

Der Windpark ist seit 24 Jahren das erste Mal außer Betrieb

Da wir gut in der Zeit liegen, nimmt uns Way mit zum Friedhof der Familie seiner Frau. Richtig gelesen – die Familie hat einen eigenen Friedhof. Bei den Wayuu ist es nämlich so, dass wirklich jede Familie ihren eigenen Friedhof hat. Dort gibt es dann verschiedene Parzellen für die einzelnen Personen.

Die Wayuu – Kurze Exkursion zur Kultur

Die Wayuu sind matrilinear organisiert. Das bedeutet, dass die weibliche Linie mehr bedeutet. Zum Beispiel erben die Töchter Haus und Grund, da diese sich auch um das Anwesen kümmern. Möchte ein Mann eine Wayuu-Frau heiraten, muss dieser einen Brautpreis zahlen. Eine richtige offizielle Heirat gibt es wohl aber nicht. Und zusammen leben tun die wenigsten „Brautpaare“. Gibt es Kinder, leben diese bei der Mutter. Der Vater ist nicht immer ein Teil vom Leben der Kinder und schon gar nicht verantwortlich für seinen Nachwuchs. Vormund wird ein Bruder der Mutter. Dieser ist für die Kinder dann die Vaterfigur. Die Männer können dabei mehrere Frauen haben, während die Frauen nur einen Mann haben dürfen. Way hat uns viel über seine Kultur erzählt, doch für Außenstehende ist es teilweise etwas undurchsichtig.

Tod und Beerdigung bei den Wayuu

Stirbt jemand bei den Wayuu, werden seine Gebeine ein Jahr aufbewahrt und dann von der jüngsten Jungfrau in der Familie gereinigt. Im Falle von Ways Familie, war die Jungfrau seine jüngste Tochter. Danach findet die Beisetzung im Rahmen der ganzen Familie auf deren eigenem Friedhof statt. Deshalb war gerade die ganze Familie von Way dort am Friedhof zusammengetroffen. Da er uns schon viel über seine Familie erzählt hat und wir ihn über die Wayuu ausfragten, bot er uns an, dort kurz vorbeizufahren. Dann könnten wir uns selber ein Bild machen. Die Familie seiner Frau war bereits seit einigen Tagen auf dem Friedhof und würde noch bis morgen bleiben. Dann würden alle wieder nach Hause fahren. Während er in Riohacha lebt, lebt seine Frau mit den beiden Töchtern in Manaure. Seine älteste Tochter ist 25 und hat kurz vor Weihnachten ihr erstes Baby bekommen, weshalb sie nicht bei dem Familientreffen dabei ist. Way, der nun mit 39 Jahren Opa ist, zeigt uns stolz die Babyfotos. Um zu dem Friedhof zu gelangen, fahren wir weiter durch die Wüste, doch immer mal wieder kommen wir durch eine Siedlung. Vorher und nachher gibt es einige Straßensperren von Kindern. Ein paar Mal lassen sie die Sperren jedoch nicht fallen und Way steigt aus, um den Kleinen die Leviten zu lesen. Die meisten bereuen ihre Ungehörigkeit auch sofort. Schließlich erreichen wir den Friedhof, der mitten in der Wüste liegt. Drum herum gibt es nichts, was die Ruhe der Toten stören könnte.

Als wir am Friedhof ankommen, werden wir von Ways Frau, jüngster Tochter und Schwägerinnen und Schwagern begrüßt. Eigentlich waren es um die 40 Leute, doch einige sind bereits gestern und heute los gefahren. Wir bekommen Café Tinto zu trinken. Dabei handelt es sich um den üblichen Kaffee in Kolumbien. In Kolumbien wird hervorragender Kaffee angebaut, doch Café Tinto gehört nicht dazu, denn der gute Kaffee wird in alle Welt exportiert. Was übrig bleibt, wird an die Kolumbianer verkauft, die selber keine hervorragenden Röstereien haben. Gibt man nun zu den schlecht gerösteten Bohnen eine Menge Zucker hinzu, hat man Café Tinto. Zum Glück wird dieser meist nur in kleinen Bechern angeboten.

Nach der freundlichen Begrüßung wird uns der Platz und die Gräber gezeigt.

Die ganze Familie hat sich zusammengefunden, um ein Familienmitglied zu verabschieden.

Danach bekommen wir noch Lammburger zum Mitnehmen dargereicht, doch da meine Cousine und ich Vegetarier sind, lehnen wir höflich ab, fragen aber nach der Toilette. Way grinst und zeigt auf die andere Seite des Platzes: „Nur den Kaktus.“ Wir deutschsprachigen fangen in diesem Zusammenhang an zu lachen und der Ka(c )ktus wird zum Running-Gag unserer Reise. Auf dem Weg zur Naturtoilette fragen wir uns, wie die das mit so vielen Menschen mit dem Essen machen. Denn geschlafen wird im Freien, eine Küche, geschweige denn einen Kühlschrank, gibt es nicht. Kurz bevor wir den Kaktuswald erreichen sehen wir, wie es geht. Am Ast eines Baumes hängt das Fell einer Ziege, der Boden darunter ist blutdurchtränkt. Im näheren Umkreis entdecken wir noch zwei weitere Ziegenfelle.

Zurück am Auto, bringt uns Ways Frau eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit. Way fordert uns auf zu probieren, doch allein der Geruch ist für mich genug, schließlich ist es 9 Uhr am Morgen. Rebekka hat keine Probleme mit der frühen Uhrzeit. Mutig trinkt sie einen Schluck des Chirinchi (selbstgebrannter Tequila). Ihr Gesicht verzieht sich nur ein bisschen und sie verkündet, dass es gar nicht schlecht schmeckt.

Nach dieser kurzen familiären Pause geht es weiter durch die Wüste zu unserem nächsten Stopp, einem See mitten in der Wüste. Auf dem Weg passieren wir noch mehr Straßensperren, doch von Häusern fehlt jede Spur. Nur ein paar Kinder, die kleinsten vielleicht 3 Jahre, stehen in der prallen Sonne und betteln um Wasser und Essen.   

Kurze Zeit nachdem wir weitergezogen sind, sehe ich einen weiteren See in der Ferne, doch Way erklärt, dass es sich um eine Fata Morgana handelt.

Unser Auto rutscht im glitschigen Sand hin und her, während wir an immer mehr Straßensperren vorbei donnern. Wir sehen eine ganze Weile niemanden, bis uns zwei Autos entgegenkommen. Ein Auto mit Totalschaden wird abgeschleppt. Way bleibt stehen und fragt, was passiert ist. Der Fahrer des anderen Autos zuckt mit den Achseln, „Hat sich überschätzt und mehrere Salti geschlagen auf dem Weg nach unten.“

Während wir weiterfahren, wechseln sich endlose Wüsten mit Kakteenwäldern ab, doch mitten im Nirgendwo finden sich dann doch immer mal wieder vereinzelt kleine Hütten.

Die Kinder sehen Autos und beginnen, die Straßensperre hochzuziehen.

Unser dritter Stopp führt uns nach „El cachi“ zum Mittagessen, welches ebenfalls unser Nachtlager wird. Das etwas länglich gezogene Haus hat die Schlafzone direkt am Anfang. Die großen Hängematten sind dicht an dicht gedrängt, während der Wind hindurch fegt. Geht man an den Hängematten vorbei, ist man auch schon im „Essbereich“. Wir setzen uns hin und bekommen unser Mittagessen. Die anderen hatten sich alle Languste bestellt, während Nadine und ich weiter unseren Reis mit Bohnen und Ei bekamen. Nach dem Mittagessen gab es einigen Aufruhr zwischen Way, dem kolumbianischen Pärchen und dem „Hostel“-Besitzer. Das kolumbianische Pärchen hatte die Tour mit Doppelzimmer gebucht, doch wie es aussah, waren alle Doppelzimmer belegt. Way telefonierte mit einem anderen Hostel wo wir übernachten konnten und nachdem alles geklärt war, fuhren wir weiter nach Duñas de Taroa.

Duñas de Taroa

Alleine schon in Duñas de Taroa anzukommen war ein Erlebnis. Der weiche, weiße Sand erstreckte sich wohin man auch sah. Wie bei den letzten Stopps bereits angewöhnt, verabredeten wir eine Zeit und liefen über die Dünen Richtung Ozean. Die Dünen waren hoch und wir konnten den ganzen Weg bis hinunter zum Wasser rutschen. Die Wellen waren zwar gerade recht hoch, doch uns konnte nichts stoppen. Wir hatten eine Menge Spaß bei unserem ganz eigenen Welleparadies. Wirklich ein absolutes Highlight auf der Reise zum nördlichsten Punkt Südamerikas.

Zur verabredeten Zeit treffen wir alle pünktlich am Auto ein und fahren nun wirklich zum nördlichsten Punkt Südamerikas – dem Leuchtturm Punta Gallinas.

Punta Gallinas – Sonnenuntergang bei Massenindividualtourismus

Als wir beim Punta Gallinas ankommen, sind wir natürlich nicht die ersten und auch nicht die letzten. Jetzt treffen sich alle Gruppen wieder, die am gleichen Tag wie wir losgefahren sind, egal von welcher Company. Da es auch 2-Tagestouren gibt, kamen sogar noch mehr Leute hier an. Wir machen viele Fotos mit dem Leuchtturm, vor dem Meer und mit der Sonne, die langsam untergeht. Sandra, Rebekka, Nadine und ich setzen uns in einiger Entfernung zu den anderen Massenindividualtouristen an den Strand und genießen einen herrlichen Blick auf den Sonnenuntergang.

Nachdem kein Licht mehr den Himmel erhellte, fuhren wir weiter zu unserem neuen Hostel. Vom Standard her war das andere besser, da unser jetziges Hostel nicht mal fließend Wasser hatte.

Da wir uns aber unbedingt den Staub, das Salz und den Schweiß abduschen mussten, nutzen wir die dafür vorgesehenen „Duschen“. Das Wasser mussten wir in einem Eimer mit in die Dusche nehmen und uns mit einem kleineren Eimer selber begießen. Natürlich war das Wasser eiskalt, was vielleicht am Tag schön angenehm gewesen wäre, doch jetzt, im Dunkeln und bei stetig fallenden Temperaturen, war es einfach nur kalt.

Insgesamt konnten bis zu 60 Personen in diesem Hostel alleine in den Hängematten schlafen. Dabei gab es zwei Bereiche für die Hängematten. Wir entscheiden uns wiedermal für einen Wandbereich, in dem Areal, in dem gerade nur um die 20 Hängematten hingen. Nach dem Abendessen – richtig geraten: Reis, Bohnen und Ei – konnten wir uns noch den wundervollen Sternenhimmel ansehen, bevor es für uns wieder in die Hängematten ging. Doch als Lektion aus der vorherigen Nacht, in der es mega kalt wurde, nahm ich mir diesmal zwei Decken.  

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