Reisen in Zeiten von COVID19
Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass es den Coronavirus schon gab, als ich Deutschland verlassen habe. Vielleicht, wahrscheinlich, und wenn, ist es nicht in meinem Gedächtnis geblieben. Aber ich erinnere mich, dass wir irgendwann in Kolumbien davon hörten und uns ein bisschen darüber lustig machten. Ein Kumpel meiner Cousine schickte uns fast täglich News über WhatsApp darüber, wie schlimm es sei und wir doch lieber Ameisenforscher im Dschungel werden sollten. 2 Monate später ist tatsächlich das eingetroffen, was er schon im Januar vorhergesagt hat. Die Menschen geraten in Panik, es werden Ausgangssperren verhängt, die Wirtschaft bricht zusammen und Grenzen schließen. Im Moment sitze ich in Nicaragua, bin erst seit 3 Tagen hier und fühle mich wie eine Maus in der Falle, deren Schließmechanismus etwas klemmt. Ich knabbere am Käse und beobachte die Metallstange über mir, aber ich weiß nicht ob die Falle schließt und wenn ja, wie schlimm es werden wird.
Ich komme aus Costa Rica, welches mittlerweile die Grenzen geschlossen hat und möchte im Anschluss an Nicaragua nach Guatemala. Die haben zwar ebenfalls ihre Grenzen (für den Moment) geschlossen, aber soweit ich mitbekommen habe, nur für Einreisende aus Europa. Also besteht vielleicht noch die Chance, dass ich weiterreisen kann, denn ich möchte ungern meinen Trip abbrechen. Schließlich handelt es sich um eine Once-in-a-lifetime-Journey. Wenn ich jetzt nach Hause fliege, war es das. Und wofür? Damit ich Zuhause eingesperrt bin? Ein Zuhause, das ich gar nicht habe? Schließlich habe ich nicht nur meinen Job, sondern auch meine Wohnung gekündigt. Ist es da nicht sinnvoller, sich hier ein ruhiges und abgelegenes Fleckchen zu suchen und auszuharren? Nicaragua ist super günstig. Wenn ich mit einem Hostel gute Konditionen aushandle, kann ich hier mit 15$ bis 20$ am Tag nicht nur überleben.
Heute morgen habe ich mit meiner Mutter telefoniert, die als Hygienefachbeauftragte im regen Austausch mit den entsprechenden Behörden ist. Sie hat mir Mut gemacht und gesagt, dass ich ruhig weiterreisen kann. In Nicaragua gab es bisher auch noch keine Coronavirus-/COVID19-Fälle. Schlimmer als der Coronavirus selber sind die Menschen die in Panik geraten und Hamsterkäufe machen.
Die letzten Tage habe ich mich viel mit anderen Reisenden unterhalten. Alle sind im Moment verunsichert. Sollen sie nach Hause fliegen oder ebenfalls ausharren? Die Flüge sind im Moment richtig teuer, da überlegt man eben nicht nur zwei Mal, ob man wirklich Heim fliegt. Die Grenzen rund um Nicaragua sind zu und von meinem Hostel habe ich gehört, dass die Grenzen von Nicaragua ebenfalls seit heute zu sind. Was irgendwie ein Witz ist, da der Präsident gleichzeitig Massenveranstaltungen organisiert mit dem Titel „Liebe in Zeiten von COVID“. In einigen Ländern sind die Grenzen auch nur 15 Tage geschlossen. Natürlich ist das alles vorläufig und kann immer verlängert werden, doch ich möchte mich nicht verrückt machen lassen. Vielleicht suche ich mir ein nettes Hostel in dem ich volunteeren kann, wenn ich nicht ausreisen kann. Diese Idee finde ich immer noch angenehmer, als nach Hause zu fliegen, wo ich nicht mal aufs Klo kann, weil es kein Klopapier mehr gibt.
Ein mulmiges Gefühl bleibt trotzdem, auch wenn ich mir selber immer wieder Mut zuspreche, schließlich handelt es sich nicht um eine Zombieapokalypse. Und wenn, wären immerhin die Grenzen wieder offen, da es keine Grenzen mehr geben würde, bzw. Menschen die diese bewachen.